Fachkfäfte im Kanzleimanagement: Unterstützung von Außen?

Sandra Bartel
Sandra Bartel

Inhaberin & Gründerin von
JudikaDiva Kanzleimanagement

Was macht Kanzleimanagement eigentlich aus?

Als Rechtsanwalt bist Du nicht nur Jurist, du bist auch Unternehmer.

Mal ehrlich, beschäftigst du dich wirklich ausschließlich mit deiner juristischen Arbeit? Wie viel Prozent deiner Zeit steckt in der rein juristischen Arbeit und wie viel im Kanzleimanagement? Ich finde, dass das eine sehr interessante Frage ist.

Ich weiß nicht, ob das jedem selbständigen Anwalt so genau bewusst ist. Durch meine Arbeit der letzten Monate habe ich eher nicht den Eindruck. Und ich verstehe auch, warum das so ist. Als du dich entschieden hast Jura zu studieren, hat keiner dir gesagt, dass du neben deinem juristischen Fachwissen auch Erfahrung in den Bereichen Unternehmens- und Mitarbeiterführung, Finance und Controlling, Marketing und HR mitbringen musst. Und im Studium hat dir das auch keiner gesagt. Und danach?

Nehmen wir uns aus den ganzen unternehmerischen Teilbereichen (das alles ist nämlich Teil des Kanzleimanagements) mal das Thema HR heraus und schauen genauer hin. Nach wie vor höre ich immer wieder das Schlagwort „Fachkräftemangel“. Ich sehe, dass Juristen und Kanzleien teilweise Monate bis Jahre nach juristischem Fachpersonal suchen und dabei erfolglos sind. Fachkräftemangel heißt es dann.

Ich muss dir da was gestehen, ich halte das für BULLSHIT. Wir haben hier die gleiche Problematik, wie in vielen Beziehungen. Immerhin ist das Verhältnis zwischen Anwalt und Fachkraft ja auch eine Beziehung, wie wir alle seit Suits wissen.

Zwei Parteien und sie sprechen nicht die gleiche Sprache.

Allein auf Instagram sehe ich täglich sehr spannende Juristen und Kanzleien. Juristisch auf den Punkt, witzig und spannend haben sie den Fokus auf Mandanten und das Netzwerk gelegt, sind sich jedoch anscheinend überhaupt nicht ihrer Außenwahrnehmung als potenzieller Arbeitgeber bewusst.

Und so rutscht eine wichtige Zielgruppe durch. Die Fachkräfte. Ich sehe die Accounts, die sich oft sehr anonym unter die Follower mischen. Und ich verwette meinen A… darauf, dass da einige passende Kandidaten für dich dabei wären. Aber so wie du diese Zielgruppe noch nicht auf dem Schirm hattest, sieht diese Zielgruppe dich nicht. Nicht als potenziellen Arbeitgeber. Denn es fehlt der entsprechende Außenauftritt.

Und nein, ein Story-Slot mit dem Hinweis auf deine Stellenausschreibung oder auch nur „ReFa gesucht, Bewerbung bitte an anwalt@wünschdirwas.de“ reicht da nicht. Das hier ist nicht das Schwarze Brett im Rewe. Der Slot ist nach 24 Stunden weg und keiner weiß, was denn mit dieser Stelle einhergeht.

  • Was sind die Aufgaben?
  • Wie viel Leute arbeiten da?
  • Gibt es Kaffee, habe ich Entwicklungsmöglichkeiten?
  • Darf ich den Partnerpool benutzen?
  • Wird Harvey Specter mein neuer Chef?

Auch der Verweis auf eine Online-Stellenausschreibung reicht heute nicht mehr. Vor allem dann nicht, wenn die Anzeige aussieht wie eine Todesanzeige.

Würdest du dich auf eine Todesanzeige bewerben wollen?

Da stimmt der Außenauftritt nicht und das macht misstrauisch.

Die Lösung? Recruitingservices. Ein professioneller Recruiter ist hier sehr gut investiertes Geld. Rechne mal, was eine monatelang unbesetzte Stelle kostet. Oder eine schlecht besetzte Stelle. Immer wieder einarbeiten, Ausgleichen von Ausfällen, weil die Mitarbeiter die Mehrbelastung irgendwann nicht mehr abdecken können. Recruitingservices bieten darüber hinaus oft auch eine wertvolle Beratung. Gerade, wenn die Unternehmensgröße eine eigene HR-Abteilung nicht hergibt.

Und was hängt an dem Thema eigentlich noch alles dran?

  • Passt die Person ins bestehende Team?
  • Habe ich mit dem Team über die offene Vakanz und die damit einhergehenden Anforderungen gesprochen?
  • Was genau will ich eigentlich für einen Menschen im Team haben?
  • Und was für einen Typ Mensch wünscht sich das Team?
  • Warum brauchen wir die Unterstützung?
  • Wie soll das Onboarding verlaufen?
  • Klappt das auch in einer Pandemie?
  • Ist die zu besetzende Vakanz durch einen Ausfall entstanden, oder hat sie mit dem Wachstum der Kanzlei zu tun?
  • Welche Prozesse und Abläufe hängen mit diesem Wachstum zusammen und muss hier gegebenenfalls auch etwas angepasst und optimiert werden?

Wichtige Punkte. Klingt nach viel Arbeit, oder? Jap. Was du da tun kannst?

Hier ein kleiner Beispielfahrplan:

  • Überdenke zuallererst mal deine Wahrnehmung als Arbeitgeber
  • Bist du als solcher schon sichtbar?
  • Auf welchen Kanälen?
  • Hol dein Team ins Boot.
  • Besprecht den Tagesablauf und sucht Optimierungsmöglichkeiten
    • Gibt es Bereiche, die umstrukturiert oder überhaupt strukturiert werden können?
    • Können Prozesse automatisiert oder digitalisiert werden?
  • Gibt es Arbeitspakete, die ausgelagert werden können? (Stichwort virtuelle Assistenz)

Und zu guter Letzt eine Herzensempfehlung: Hol dir professionelle Hilfe dazu. Aus eigener Erfahrung kann ich – ganz besonders im Bereich Recruiting und Fachkräfte nur dazu raten.

Denn die Thematik ist komplex. Diese Erfahrung habe ich gerade letzte Woche wieder gemacht, als ich mich für eine Kanzlei nach einem geeigneten Kandidaten für eine Zusammenarbeit und Tätigkeitsübernahme umgehört habe.

Aus einer früheren Zusammenarbeit war ich hierzu mit einer virtuellen Rechtsassistenz in Kontakt, die mir aufgrund des Vorkontaktes und der bisherigen Kommunikation als geeignet erschien. Sie selbst ist online nicht präsent. Zumindest nicht als virtuelle Rechtsassistenz. Dazu hatte sie bislang noch keine Zeit, hieß es damals auf meine Nachfrage, warum sie keine Internetseite hat. Wenn ich mir meine Aktivitäten in Social Media ansehe, kann ich das verstehen. Immer am Arbeiten, da kann das schonmal hinten über fallen. Long Story Short: Kontakt an Kanzlei übermittelt, Kanzleiinhaber aus Spaß mal in Facebook eingegeben und schon wurde aus der virtuellen Rechtsassistenz eine ziemlich braune RECHTsassistenz. Der Kanzleiinhaber spielte mir diese Information charmant zurück, mit den Worten „Ach, ich glaube, wir würden uns nicht so gut verstehen.“ Ich war fassungslos. Google machte mich noch fassungsloser. Und damit kommen wir zu einem weiteren Punkt, der in beide Richtungen auch eine sehr wichtige Rolle spielt. Politische Neigung. Dieser Punkt ist für Kandidaten wichtig und natürlich auch für Kanzleien.

Und was lernen wir daraus?

Wortspiele mit Rechtsassistenz find’ ich nicht mehr witzig.

Hat mein Beitrag bei dir Fragen aufgeworfen oder hast du bereits Erfahrung mit externen Recruitern? Ich würde mich über Feedback freuen. Ganz besonders würde mich interessieren, wenn es in dem Bereich bereits gute Erfahrungen und Abläufe gibt, die sich bei dir bewährt haben. Dann schreib mir gerne an info@judikadiva.de. Ich freu’ mich auf den Austausch.

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